Wer als Ärztin oder Arzt plant, bald in den Ruhestand zu gehen und die eigene Praxis aufzugeben, sollte frühzeitig mit der Nachfolgersuche beginnen. Oft findet sich die Idealbesetzung für das berufliche „Erbe“ nicht so einfach. Zudem sind viele rechtliche und steuerliche Aspekte zu beachten, weshalb Sie sich am besten Unterstützung von einer Anwalts- oder Steuerkanzlei holen sollten.
Wenn die Abgabe der Praxis ansteht
Die Aufgabe einer Arztpraxis ist oft eine emotionale Angelegenheit. Schließlich geht es in der Regel darum, nach langer Berufstätigkeit das eigene Lebenswerk auf- und abzugeben – idealerweise in die vertrauensvollen Hände einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers. Doch es ist gar nicht so einfach, eine geeignete Kandidatin bzw. einen geeigneten Kandidaten zu finden, die bzw. der genau zum passenden Zeitpunkt in die eigenen Fußstapfen treten möchte. Manchmal ist auch die Praxis nicht attraktiv genug für eine Übergabe, weil sich das Umfeld verändert hat, Geräte und Technik veraltet sind oder die Zahl der Patientinnen und Patienten zu gering ist. Dann muss die Praxis unter Umständen ganz geschlossen werden. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen auf den anstehenden Wechsel oder die mögliche Schließung der Praxis vorbereitet werden. Denn auch für sie geht es um einen einschneidenden Schritt bzw. den möglichen Arbeitsplatzverlust.
Daneben spielen wirtschaftliche, steuerliche und rechtliche Aspekte eine große Rolle: Die Praxis muss bewertet werden, um einen Kaufpreis ermitteln und in Verhandlungen mit potenziellen Nachfolgerinnen bzw. Nachfolgern eintreten zu können. Sind die Praxisräume im Eigentum der Ärztin bzw. des Arztes, geht es auch um den Verkauf der Immobilie und damit um sehr hohe Summen mit teils gravierenden steuerlichen Auswirkungen. Neben dem Praxisübernahmevertrag mit der Nachfolgerin bzw. dem Nachfolger muss meist die vertragsärztliche Zulassung im Rahmen eines sogenannten „Nachbesetzungsverfahrens“ geklärt werden – und da haben öffentliche Ausschüsse mitzureden. Zudem sind Verträge aufzulösen und Versicherungen zu kündigen, das Inventar muss geschätzt, verkauft oder abgebaut werden und der gesamte Auszug muss organisiert werden und vieles mehr.
Frühzeitige Planung und Beratung
Damit wird klar: Die Auf- und Übergabe einer Arztpraxis ist eine komplexe und herausfordernde Aufgabe, weshalb empfohlen wird, diesen Schritt mit einer Vorlaufzeit von etwa zehn bis 15 Jahren zu planen. Zudem sollten Sie sich unbedingt professionell beraten lassen. Neben Steuer- und Anwaltskanzleien haben sich auch Banken und Sparkassen auf die Beratung von Angehörigen der Heilberufe spezialisiert und begleiten auch eine Praxisübergabe. So bietet etwa die „Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank)“ umfangreiche Unterstützung und detaillierte Checklisten für die Nachfolgeplanung. Daneben gibt es spezielle Dienstleister, wie zum Beispiel „Beratung für Mediziner“, die von einem großen Netzwerk profitieren und bei der Nachfolgersuche helfen können. Zum Beratungsumfang gehören oft auch Unterstützung hinsichtlich der Preisfindung (Praxisbewertung), Informationen über Kooperationsmodelle, die zur Vorbereitung einer Praxisübergabe dienen können, und die Begleitung während des gesamten KV-Prozederes.
Den Wert der Praxis ermitteln
Damit Ihre Praxis ein möglichst attraktives Angebot aus Nachfolgersicht darstellt, ist es wichtig, dass sie in jeder Hinsicht gut dasteht. Auch wenn für Sie der Ruhestand naht – gerade jetzt dürfen Sie keinesfalls alles schleifen lassen und den Betrieb „runterfahren“. Im Gegenteil: Wenn eine abzugebende Praxis „auf den Markt kommt“, sollte sie gesund sein und gut funktionieren in den Bereichen Personal, Patientenstamm, Arbeitsabläufe, Ausstattung und Technik. Und natürlich muss die betriebswirtschaftliche Seite stimmen. All diese Faktoren beeinflussen den Wert Ihrer Praxis (und damit die Höhe des Übernahmepreises) und erhöhen die Chance, eine würdige Nachfolgerin bzw. einen würdigen Nachfolger zu finden.
Um den Wert der Praxis ermitteln und einen angemessenen Kaufpreis festlegen zu können, sollten Sie ein neutrales Wertgutachten erstellen lassen. Dabei wird neben dem materiellen Wert, der sich aus der Ausstattung (Mobiliar, Geräte, Technik etc.) ergibt, auch der sogenannte „ideelle Wert“ der Praxis bestimmt. Letzterer ergibt sich unter anderem aus dem Ruf der Praxis, dem Patientenstamm, der Lage und vielem mehr.
Die Nachfolgersuche
Vermutlich haben Sie eine Idealvorstellung Ihrer Nachfolgerin bzw. Ihres Nachfolgers im Kopf. Immerhin geht es um die Abgabe Ihres beruflichen Lebenswerks, das möchten Sie verständlicherweise in guten Händen wissen: Sie oder er sollte jung und hochmotiviert sein und mit gleicher Philosophie und Arbeitsweise wie Sie selbst die Praxis führen wollen. Sie wünschen sich eine Person, die mit Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso vertrauensvoll umgeht, wie Sie es all die Jahre getan haben, damit alles harmonisch weiterläuft und die Gesundheitsversorgung am Standort gesichert bleibt.
Doch die Wunschnachfolgerin bzw. der Wunschnachfolger, die bzw. der genau zum geplanten Abgabezeitpunkt an exakt diesem Standort, am besten noch mit gleicher Fachrichtung, übernehmen möchte, findet sich oft nicht so leicht. Leider gibt es heutzutage immer weniger junge Ärztinnen bzw. Ärzte, die bereit sind, eine Praxis zu übernehmen, insbesondere wenn es um einen weniger attraktiven Standort geht. Zwar ist die Verlockung, selbstständig arbeiten und sich verwirklichen zu können, groß – doch viele scheuen das finanzielle Risiko. Dabei bietet die Übernahme einer bestehenden Praxis viele Vorteile gegenüber einer Neugründung: Eine junge Ärztin bzw. ein junger Arzt kann eine bereits voll funktionsfähige Einheit übernehmen und diese dennoch nach eigenen Vorstellungen weiterentwickeln. Es gibt also schon ein solides Fundament, auf dem man aufbauen kann. Diesen Aspekt sollten Sie hervorheben, wenn Sie Ihre Praxis anbieten.
Beginnen Sie möglichst frühzeitig mit der Nachfolgersuche – umso größer ist die Chance, jemanden zu finden, der Ihren Vorstellungen entspricht. Am besten erstellen Sie hierfür ein Profil mit den Mindestanforderungen: Erfüllt eine Kandidatin bzw. ein Kandidat dann sogar mehr Kriterien, umso besser. Zudem hat sich gezeigt, dass die wichtige Bindung des Personals auch an die neue Ärztin bzw. den neuen Arzt am ehesten gelingt, wenn diese bzw. dieser Ihnen vom Typ her ähnelt.
Eine gute Möglichkeit, die potenzielle Nachfolgerin bzw. den potenziellen Nachfolger kennenzulernen, ist im Übrigen das „Jobsharing“. Teilen Sie sich die Praxisleitung mit der Neuen bzw. dem Neuen erst einmal für einen befristeten Zeitraum von einem Jahr oder länger. Auch eine Kooperation in Form einer „Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)“ (ehemals: Gemeinschaftspraxis) ist eine denkbare Variante, um die spätere Übergabe durch die Partnerin bzw. den Partner vorzubereiten. Auf diese Weise erleben Sie die Kollegin bzw. den Kollegen im Praxisalltag und können besser einschätzen, ob sie oder er Ihren Vorstellungen entspricht. Umgekehrt lernt diese(r) so schon einmal die Patientinnen und Patienten und die Praxisabläufe kennen. Dies kann die spätere Übergabe enorm erleichtern und auch aus rechtlichen Gründen sowie im Hinblick auf die Zulassungsübertragung vorteilhaft sein.
Zulassung und Nachbesetzungsverfahren
Ein großes Hindernis bei der Übergabe einer Arztpraxis kann manchmal das öffentliche Zulassungsverfahren sein, denn die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger muss über eine entsprechende Zulassung verfügen, um überhaupt am Praxisstandort praktizieren zu dürfen. In der Regel gibt es keine Praxisübergabe ohne ein sogenanntes „Nachbesetzungsverfahren“, da meist im gleichen Zug auch eine kassenärztliche Zulassung übertragen werden muss. Grundsätzlich entscheidet der Zulassungsausschuss darüber, ob eine Praxis nachbesetzt werden darf – oder nicht. Ist der Versorgungsgrad in der jeweiligen Region zu hoch (mehr als 140 Prozent), muss der Ausschuss zunächst die Versorgungsrelevanz prüfen. Ist diese nicht gegeben, darf einer Nachbesetzung nicht stattgegeben werden. Ausgenommen von dieser Regelung ist allerdings die Übertragung auf einen sogenannten „privilegierten Nachfolger“: Privilegierte Personen sind zum Beispiel Verwandte, Angestellte oder Praxispartnerinnen bzw. -partner der abgebenden Ärztin bzw. des abgebenden Arztes.
Der Übernahmevertrag bzw. Praxiskaufvertrag
Für die offizielle Übergabe Ihrer Arztpraxis muss zwischen Ihnen und der Käuferin bzw. dem Käufer ein privatrechtlicher Kaufvertrag abgeschlossen werden. Er enthält als zentrale Eckpunkte unter anderem den Kaufpreis, den exakten Übergabestichtag, ein Wettbewerbsverbot und verschiedene Gewährleistungsklauseln. Zudem regelt der Praxisübernahmevertrag alle Aspekte, die für einen reibungslosen Übergang der Praxis und die damit verbundenen Pflichten und Rechte wichtig sind. Dazu zählen beispielsweise bestehende Verträge der Praxis mit Mitarbeitenden, Lieferanten und Dienstleistern, aber auch Zahlungsbedingungen und Fristen. Da es bei diesem Vertragswerk eine ganze Menge zu beachten gilt, sollten Sie sich hierbei beraten lassen und den Praxisübernahmevertrag am besten professionell durch eine Anwältin bzw. einen Anwalt erstellen lassen.
Verträge und Versicherungen prüfen
Spätestens ein Jahr vor der geplanten Auf- bzw. Übergabe der Praxis sollten Sie alle bestehenden Verträge im Hinblick auf Laufzeiten und Fristen prüfen. Das betrifft nicht nur den Mietvertrag, sondern auch Wartungs- oder Leasingverträge für Medizin- und Bürotechnik, Verträge mit Telefonanbietern und Stromversorgern, Serviceverträge mit externen Dienstleistern sowie alle bestehenden Versicherungsverträge (Betriebs- und Berufshaftpflicht, Inventar etc.). Auch die Mitarbeiterverträge sowie Verträge zu einem etwaigen praxiseigenen Betriebsfahrzeug oder zur Praxiswebsite werden für die potenzielle Nachfolgerin bzw. den potenziellen Nachfolger von Interesse sein. Sie sollten daher sämtliche Unterlagen parat haben und die entsprechenden Laufzeiten und Fristen in übersichtlicher Form auflisten.
Schließung der Praxis ohne Nachfolge
In manchen Fällen gelingt es leider nicht, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für die Praxis zu finden. Nicht jede Praxis ist vermittelbar und kann erhalten bleiben. Mögliche Ursachen sind eine veränderte Konkurrenzsituation, etwa weil sich nebenan ein großes Ärztehaus angesiedelt hat, oder eine schlechtere Verkehrsanbindung, weil Parkplätze weggefallen sind oder eine Straßenbahnstation nicht mehr angefahren wird. Auch bauliche Beschränkungen oder eine veraltete Technik in der Praxis können zu einem Patientenschwund führen, der die Praxis unattraktiv macht und potenzielle Übernehmerinnen oder Übernehmer abschreckt.
Am Ende muss dann zusammen mit dem Renteneintritt der Ärztin bzw. des Arztes auch die Praxis geschlossen werden. In diesem Fall müssen Sie die Aufgabe der Praxis in jedem Fall gegenüber der Ärztekammer anzeigen. Bei vertragsärztlicher Tätigkeit mit KV-Zulassung muss auch die „Kassenärztliche Vereinigung (KV)“ über die Schließung der Praxis informiert werden. Mit vollständiger Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit entfällt auch die Pflichtmitgliedschaft in der Ärztekammer; man kann jedoch auch als Ruheständler(in) freiwilliges Mitglied mit einem ermäßigten Kammerbeitrag bleiben.
Nach Aufgabe der Praxis
Ärztliche Aufzeichnungen müssen nach Ende der Behandlung bzw. Aufgabe oder Schließung der Praxis grundsätzlich für mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden. Dies betrifft alle Krankenunterlagen, also Berichte, Untersuchungsbefunde etc. Diese können in eigenen oder fremden Räumen gelagert werden, wichtig ist nur, dass unbefugte Personen keinen Zugriff auf die Daten haben dürfen.
Auch nach Aufgabe der Praxis dürfen Ärztinnen und Ärzte aufgrund ihrer Approbation weiterhin Privatrezepte zum Eigengebrauch ausstellen. Diese müssen dann jedoch mit der Privatanschrift versehen werden und einen gesonderten Hinweis hierauf enthalten. Rezepte mit der ehemaligen Praxisanschrift dürfen Sie dann nicht mehr verwenden.
Mit Aufgabe der Praxis endet im Regelfall auch die Berufstätigkeit der Ärztin bzw. des Arztes. Damit entfällt auch ihre bzw. seine Haupteinnahmequelle. Stellen Sie sich als angehende Rentnerin bzw. als angehender Rentner daher unbedingt auch frühzeitig auf Ihre zukünftige Finanz- und Liquiditätssituation ein. Mit dem Eintritt in die Rente haben Sie grundsätzlich Anspruch auf eine Altersrente des berufsständischen Versorgungswerks der Ärztekammer, hinzu kommen meist Altersbezüge aus einer privaten Vorsorge. Damit ändern sich auch viele steuerliche Vorgaben. Verschaffen Sie sich rechtzeitig vor Aufgabe der Praxis einen Überblick über Ihre persönlichen Ansprüche und prüfen Sie, ob die Renteneinkünfte ausreichen werden, um Ihren Finanzbedarf im Ruhestand zu decken.
